Studie zum Messie-Syndrom
Von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg wurde von 2009 bis 2012 eine wissenschaftliche Studie zum Messie-Syndrom durchgeführt. Ziel dieser Studie war es, zu untersuchen, ob es sich beim Messie-Syndrom um eine eigenständige Erkrankung handelt, welche dann langfristig als medizinisch anerkannte Diagnose in die ICD aufgenommen und damit von Krankenkassen anerkannt wird. Der Leiter der Abteilung für Psychiatrie und Psychosomatik, betreute die Studie unter Beteiligung von Doktoranden, die jeweils ein eigenes Teilgebiet untersuchten.
Mittlerweile wurde das Patohologische Horten in die seit 2022 gültigen ICD-11 aufgenommen!
Die Mitwirkung von Frau Schröter umfasste den Bezug zur Praxis, Grundlagen, Beratung im Erstellen des Studiendesigns. Außerdem stellte sie die Kontakte zu Betroffenen her, die außerordentlich großes Interesse an der Teilnahme zeigten. Ihre Arbeit als Messietherapeutin wurde im Rahmen der Studie begleitet und auf ihre Methodik und Wirksamkeit untersucht.
Dieser Studie widmet sich auch ein von Prof. Dr. Dieter Ebert verfasstes Kapitel im Buch Messie-Welten von Veronika Schröter.
Zentrales Ziel der Untersuchung
Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Debatte um die Aufnahme des Messie-Syndroms durch die WHO in die ICD als eigenständiges Krankheitsbild.
Fragestellungen
Auf folgende Fragestellungen war die Studie ausgelegt
- Lässt sich das Messie-Syndrom als eigenständiges Krankheitsbild eingrenzen?
- Wird bisher als Symptom übergeordneter psychischer Störungsbilder (z.B. Einer Depression) gesehen
- Gibt es ein einheitliches Symptombild?
- Gibt es einzelne Symptome, die bei allen unterschiedlichen Fällen des Messie-Syndroms auftreten?
- Wie treten Überlagerungen (Komorbiditäten) mit anderen psychischen Erscheinungsformen auf?
- Können neben der Messie-Erkrankung auch andere psychische Erkrankungen festgestellt werden?
- Sind diese vor oder während der Messie-Erkrankung aufgetreten
- Wie lässt sich die Symptomatik von Störungsbildern wie ADS/ADHS oder Autismus abgrenzen?
- Wie lassen sich unterschiedliche Ausprägungen in einer Typologie klassifizieren?
- Gibt es systematische Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Fällen, die auf bestimmte Arten des Syndroms hinweisen
Mit den ca. 50 Teilnehmern wurde ein Interview zur Symptomerhebung geführt, außerdem waren mehrere Fragebogen zu möglichen Komorbiditäten auszufüllen. Die Teilnahme erfolgte auf der Grundlage der Freiwilligkeit und Anonymität.
Die Ergebnisse der Studie decken sich mit der Symptomatik des „Hoarding-Syndrom“ (anerkanntes Krankheitsbild in den USA)
In Kernsymptomatik ist mit dem Messie-Syndrom vergleichbar
- Aufschieben (Prokrastination)
- Kategorisierungs- und Ordnungsschwierigkeiten
- Sammeln und Wertbeimessungsstörungen
Ergebnisse der Studie zum Messie-Syndrom
Die teilnehmenden Klienten wurden nun nach Abschluss der Studie vorab über die wesentlichsten Ergebnisse, vor allem im Hinblick auf die Frage nach einem eigenständigen Krankheitsbild, informiert. Diese werden im Folgenden dargelegt.
- Ausgangslage war die Annahme, dass das Messiesyndrom lediglich ein Symptom einer – möglicherweise verdeckten – psychischen Erkrankung, wie z. B. Depression, darstellt.
- In den USA existiert bereits ein in der Kernsymptomatik vergleichbares anerkanntes Krankheitsbild, das „Hoarding-Syndrom“. Als Symptome dieses Krankheitsbildes gelten Prokrastination (Aufschieben), Leidensdruck,
- Kategorisierungs- und Ordnungsschwierigkeiten, Sozialer Rückzug und Scham, Sammeln und Wertbeimessungsstörungen. Die Untersuchungsergebnisse der Studie decken sich mit dieser Symptomatik. Im Vordergrund steht jedoch nicht das Sammeln, sondern die Entscheidungsunfähigkeit als signifikantes Merkmal.
- 24% der Teilnehmenden weisen ausschließlich die oben beschriebenen Symptome auf, ohne dass weitere psychische Erkrankungen vorliegen.
- Bei 76% liegt mindestens eine psychische Erkrankung vor. Dies sind hauptsächlich depressive Erkrankungen sowie Angst- und Zwangserkrankungen.
- Etwa die Hälfte dieser psychischen Erkrankungen definiert die Studie als Folgeerkrankungen des Messiesyndroms.
- Dies bedeutet, dass insgesamt mindestens 60% der Teilnehmenden ausschließlich am Messiesyndrom erkrankt sind oder an einer weiteren psychischen Erkrankung infolge des Messiesyndroms leiden. Damit ist die Annahme zu Beginn der Studie eindeutig widerlegt.
Folgerung
- Die Hypothese, das Messie-Syndrom sei lediglich Symptom einer (verdeckten) psychischen Erkrankung, z.B. Depression, kann zurückgewiesen werden.
- Die Studie legt eine Unabhängigkeit des Messie-Syndroms von anderen psychischen Erkrankungen nahe.
Einschätzung und neue Begrifflichkeit
- Nach Einschätzung des Studienleiters ist das Messiesyndrom nicht dem Bereich der Zwangserkrankungen, sondern vielmehr den affektiven Störungen zuzuordnen.
- Die Bezeichnung „Messiesyndrom“ ist in der gesellschaftlichen Wahrnehmung fast ausschließlich mit den Teilaspekten Vermüllung und Verwahrlosung verbunden. Um dem Krankheitsbild und seiner spezifischen Symptomatik besser gerecht zu werden, sollte ein umfassenderer Begriff, wie zum Beispiel „Desorganisationssyndrom“, eingeführt werden.